Einführung: Steuerhinterziehung als Straftatbestand

 

Die Steuerhinterziehung ist in Deutschland kein Kavaliersdelikt, sondern eine ernstzunehmende Straftat, die das Vertrauen in die Rechts- und Solidargemeinschaft untergräbt. Sie entzieht dem Staat die finanziellen Mittel, die zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben wie Bildung, Infrastruktur und soziale Sicherheit notwendig sind. Die rechtlichen Grundlagen zur Definition und Verfolgung der Steuerhinterziehung sind zentral in der Abgabenordnung (AO), dem Mantelgesetz des deutschen Steuerrechts, verankert.

 

Was ist Steuerhinterziehung rechtlich gesehen? Die Definition nach § 370 AO

 

Der Gesetzgeber definiert in § 370 der Abgabenordnung präzise, welches Verhalten als Steuerhinterziehung gilt. Demnach handelt es sich um eine Straftat, wenn jemand vorsätzlich eine der folgenden Handlungen begeht:

  1. Aktives Tun: Eine Person macht gegenüber den Finanzbehörden oder anderen zuständigen Stellen unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Verschweigen von Einkünften oder das Angeben von nicht existenten Betriebsausgaben in der Steuererklärung.
  2. Pflichtwidriges Unterlassen: Eine Person lässt die Finanzbehörden pflichtwidrig in Unkenntnis über steuerlich erhebliche Tatsachen. Dies ist der Fall, wenn jemand gesetzlich dazu verpflichtet wäre, bestimmte Informationen preiszugeben (z.B. die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oder den Erhalt einer Erbschaft), dies aber bewusst unterlässt.
  3. Unterlassen der Verwendung von Steuerzeichen: Eine Person verwendet pflichtwidrig keine Steuerzeichen oder Steuerstempler, wie es zum Beispiel bei der Tabaksteuer vorgeschrieben ist.

Entscheidend für die Strafbarkeit ist, dass durch eine dieser Handlungen Steuern verkürzt werden oder für sich oder einen anderen ein ungerechtfertigter Steuervorteil erlangt wird. Eine Steuerverkürzung liegt vor, wenn Steuern nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. Ein Steuervorteil kann beispielsweise die ungerechtfertigte Gewährung einer Subvention oder einer Steuervergünstigung sein.

Ein weiteres zentrales Merkmal ist der Vorsatz. Der Täter muss die Steuerverkürzung oder den Steuervorteil zumindest billigend in Kauf nehmen (sogenannter Eventualvorsatz). Er muss also wissen oder es für möglich halten, dass sein Handeln oder Unterlassen zu einer falschen Besteuerung führt.

Abgrenzung zu anderen Delikten

Es ist wichtig, die vorsätzliche Steuerhinterziehung von zwei anderen Tatbeständen zu unterscheiden:

  • Leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO): Hierbei handelt es sich nicht um eine Straftat, sondern um eine Ordnungswidrigkeit. Der Unterschied liegt im fehlenden Vorsatz. Der Täter handelt "nur" grob fahrlässig oder gleichgültig und missachtet die ihm zumutbare Sorgfaltspflicht in hohem Maße. Die Folge ist in der Regel ein Bußgeld, keine strafrechtliche Verfolgung.
  • Legale Steuergestaltung: Davon völlig zu trennen ist die legale Steuergestaltung. Jeder Steuerpflichtige hat das Recht, seine Verhältnisse so zu gestalten, dass er die niedrigstmögliche Steuerlast trägt, solange er sich dabei im Rahmen der Gesetze bewegt. Die Grenze zur Illegalität ist überschritten, wenn Fakten verschleiert, verschwiegen oder falsch dargestellt werden.

Die strafrechtlichen und finanziellen Folgen

 

Die Konsequenzen einer aufgedeckten Steuerhinterziehung sind gravierend und betreffen mehrere Ebenen:

  1. Strafrechtliche Sanktionen: Das Strafmaß für eine einfache Steuerhinterziehung reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.
  2. Besonders schwere Fälle: In besonders schweren Fällen droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt laut Gesetz in der Regel vor, wenn Steuern in großem Ausmaß (ab ca. 50.000 Euro pro Tat) hinterzogen wurden, der Täter seine Stellung als Amtsträger missbraucht, gefälschte Belege verwendet oder als Mitglied einer Bande agiert, die sich zur fortgesetzten Steuerhinterziehung (z.B. bei Umsatzsteuerkarussellen) verbunden hat.
  3. Finanzielle Folgen: Unabhängig von der Strafe müssen die hinterzogenen Steuern vollständig nachgezahlt werden. Zusätzlich dazu setzt das Finanzamt sogenannte Hinterziehungszinsen nach § 235 AO fest. Diese betragen 0,5 % pro Monat, also 6 % pro Jahr, und werden für den gesamten Zeitraum der Hinterziehung berechnet. Diese Zinsen können die finanzielle Belastung erheblich erhöhen.
  4. Nebenfolgen: Eine Verurteilung kann weitreichende berufliche und persönliche Konsequenzen haben, wie den Verlust der Zulassung bei bestimmten Berufen (Ärzte, Anwälte, Steuerberater), den Verlust von Beamtenrechten oder die Unfähigkeit, Geschäftsführer einer GmbH zu sein. Hinzu kommt der immense Reputationsschaden.

Der Ausweg: Die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO

 

Das deutsche Steuerrecht bietet mit der strafbefreienden Selbstanzeige eine einzigartige Möglichkeit, einer Bestrafung zu entgehen. Die Selbstanzeige ist ein Akt der tätigen Reue, der dem Staat ermöglicht, die ausgefallenen Steuern doch noch zu erhalten. Damit sie ihre strafbefreiende Wirkung entfalten kann, müssen jedoch äußerst strenge Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Vollständigkeit und Richtigkeit: Der Steuerpflichtige muss zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber für die letzten zehn Kalenderjahre, die unrichtigen Angaben korrigieren, die unvollständigen ergänzen oder die unterlassenen nachholen. Eine "Teil-Selbstanzeige" ist unwirksam.
  • Rechtzeitigkeit: Die Selbstanzeige ist nicht mehr möglich, wenn die Tat bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder damit rechnen musste. Bestimmte Sperrgründe blockieren die Strafbefreiung. Dies ist insbesondere der Fall, wenn dem Täter oder seinem Vertreter bereits eine Prüfungsanordnung für eine Betriebsprüfung bekannt gegeben wurde oder ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Prüfung erschienen ist.
  • Vollständige Nachzahlung: Die hinterzogenen Steuern sowie die darauf entfallenden Zinsen müssen innerhalb einer vom Finanzamt gesetzten, angemessenen Frist vollständig nachgezahlt werden.

Bei einer Hinterziehung von mehr als 25.000 Euro pro Tat wird von einer Bestrafung nur dann abgesehen, wenn zusätzlich zur Steuernachzahlung ein gestaffelter Zuschlag entrichtet wird. Die Selbstanzeige ist ein komplexer juristischer Akt, der ohne professionelle anwaltliche oder steuerberaterliche Begleitung kaum fehlerfrei durchgeführt werden kann.

 

Verjährung

 

Die Verfolgung von Steuerhinterziehung unterliegt der Verjährung. Die strafrechtliche Verjährungsfrist beträgt bei einfacher Steuerhinterziehung fünf Jahre, bei besonders schweren Fällen jedoch 15 Jahre. Die für das Finanzamt oft wichtigere Frist zur Festsetzung der Steuer (Festsetzungsverjährung) beträgt bei hinterzogenen Steuern zehn Jahre.

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