
I. Wesen und Zweck der Grundsteuer
Definition: Die Grundsteuer ist eine Objekt- bzw. Realsteuer, die auf das Eigentum an Grundstücken und deren Bebauung (land- und forstwirtschaftliche Betriebe sowie Grundvermögen) erhoben wird. "Objektsteuer" bedeutet, dass sie sich direkt auf die Sache – das Grundstück – bezieht, unabhängig von den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des Eigentümers.
Rechtsgrundlage: Die wesentlichen Gesetze sind das Grundsteuergesetz (GrStG) und das Bewertungsgesetz (BewG).
Zweck und Empfänger: Die Grundsteuer ist eine Gemeindesteuer. Ihr Aufkommen fließt direkt und vollständig den Städten und Gemeinden zu. Sie ist eine der wichtigsten Einnahmequellen zur Finanzierung kommunaler Aufgaben und Infrastruktur, wie z.B. Schulen, Kindergärten, Straßen, öffentliche Sicherheit und kulturelle Einrichtungen.
II. Die Grundsteuerreform: Warum war sie unumgänglich?
Das Bundesverfassungsgericht erklärte 2018 die bisherige Berechnung der Grundsteuer für verfassungswidrig. Der Grund: Die zugrunde liegenden Grundstückswerte (sog. Einheitswerte) waren völlig veraltet und stammten in Westdeutschland aus dem Jahr 1964, in Ostdeutschland sogar aus 1935. Dies führte zu einer extrem ungleichen und ungerechten Besteuerung, da die tatsächlichen Wertentwicklungen der letzten Jahrzehnte nicht abgebildet wurden. Die Reform wurde notwendig, um eine faire, transparente und verfassungskonforme Besteuerung für die Zukunft zu schaffen.
III. Die Berechnung der neuen Grundsteuer ab 2025
Die Grundsteuerberechnung behält ihre traditionelle dreistufige Struktur bei. Jedoch haben sich die Werte und Methoden in den ersten beiden Schritten fundamental geändert.
Formel: Grundsteuerwert x Steuermesszahl x Hebesatz = Jährliche Grundsteuer
Schritt 1: Ermittlung des Grundsteuerwerts
Dies ist die größte Neuerung. Statt der veralteten Einheitswerte wird nun ein aktueller Grundsteuerwert ermittelt. Aufgrund einer Öffnungsklausel konnten die Bundesländer eigene Modelle entwickeln. Für Ihren Standort Offenbach gilt das Hessen-Modell.
Das Hessen-Modell (Flächen-Faktor-Verfahren): Hessen hat sich für ein vereinfachtes, aber dennoch wertorientiertes Modell entschieden. Die Berechnung basiert auf zwei Kernkomponenten:
- Fläche: Die Größe des Grundstücks und die Wohn-/Nutzfläche des Gebäudes werden mit gesetzlich festgelegten Äquivalenzzahlen multipliziert.
- Faktor: Um die Lagequalität abzubilden, wird ein Faktor angewendet, der sich aus dem durchschnittlichen Bodenrichtwert der jeweiligen Gemeinde ableitet. Eine bessere Lage führt zu einem höheren Faktor, eine schlechtere zu einem niedrigeren.
Dieses Modell ist einfacher als das komplexe Bundesmodell, berücksichtigt aber über den Lage-Faktor den wesentlichen Werttreiber eines Grundstücks. Die für die Berechnung notwendigen Daten mussten von allen Eigentümern im Jahr 2022 im Rahmen einer Feststellungserklärung an das Finanzamt übermittelt werden.
Schritt 2: Anwendung der Steuermesszahl
Die Steuermesszahl ist ein bundesgesetzlich festgelegter Promillesatz, der auf den Grundsteuerwert angewendet wird, um den Grundsteuermessbetrag zu ermitteln. Um die stark gestiegenen Grundstückswerte auszugleichen, wurden die Steuermesszahlen im Zuge der Reform drastisch gesenkt.
Im Hessen-Modell gelten folgende Steuermesszahlen:
- Für die Fläche des Bodens: 100 %
- Für die Fläche des Gebäudes (Wohnraum): 70 %
Diese werden mit den Äquivalenzzahlen und dem Faktor multipliziert, um den finalen Grundsteuermessbetrag zu erhalten.
Schritt 3: Anwendung des Hebesatzes der Gemeinde
Dieser Schritt bleibt konzeptionell unverändert und liegt in der Hoheit der Kommune. Die Stadt oder Gemeinde multipliziert den vom Finanzamt übermittelten Grundsteuermessbetrag mit ihrem lokalen Hebesatz.
- Der Hebesatz: Dies ist der politisch entscheidende Faktor. Die Gemeinden wurden angehalten, ihre Hebesätze für 2025 so anzupassen, dass das gesamte Steueraufkommen der Gemeinde in etwa gleichbleibt (Aufkommensneutralität). Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Belastung für einzelne Grundstücke je nach Neubewertung steigt oder sinkt.
- Hebesatz für Offenbach am Main: Für die Grundsteuer B beträgt der Hebesatz in Offenbach aktuell 995 % (Stand 2025). Dies ist einer der höchsten Sätze in Deutschland.
IV. Arten der Grundsteuer und Zahlungspflicht
- Grundsteuer A (agrarisch): Für Grundstücke der Land- und Forstwirtschaft.
- Grundsteuer B (baulich): Für bebaute oder bebaubare Grundstücke und Gebäude. Dies ist die häufigste Form.
- Grundsteuer C (baureif): Dies ist eine Neuerung der Reform. Gemeinden können für baureife, aber unbebaute Grundstücke einen höheren Hebesatz festlegen, um Bodenspekulation entgegenzuwirken und Anreize zur Schaffung von Wohnraum zu setzen.
Wer zahlt die Grundsteuer?
Steuerschuldner ist immer der Eigentümer des Grundstücks. Bei einem Verkauf geht die Pflicht auf den neuen Eigentümer über.
Umlage auf Mieter: Die Grundsteuer gehört zu den umlagefähigen Betriebskosten. Ein Vermieter ist daher berechtigt, die von ihm gezahlte Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung vollständig auf seine Mieter umzulegen.
V. Verfahren und Bescheide
Nach Abgabe der Feststellungserklärung in 2022 haben die Eigentümer zwei Bescheide vom Finanzamt erhalten:
- Bescheid über den Grundsteuerwert
- Bescheid über den Grundsteuermessbetrag
Basierend auf dem Messbetrag wird die Stadt Offenbach im Laufe des Jahres 2025 den finalen Grundsteuerbescheid versenden. Dieser weist die ab 2025 zu zahlende Steuer aus. Die Zahlung erfolgt in der Regel in vierteljährlichen Raten (15.02., 15.05., 15.08., 15.11.).