I. Ziele und Grundprinzipien des Insolvenzrechts

 

Rechtsgrundlage: 

 

Das gesamte Verfahren ist in der Insolvenzordnung (InsO) geregelt.

Entgegen der landläufigen Meinung ist das primäre Ziel des modernen Insolvenzrechts nicht die Zerschlagung eines Unternehmens. Gemäß § 1 InsO verfolgt das Gesetz zwei gleichrangige Hauptziele:

  1. Gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger: Das verbleibende Vermögen des Schuldners (die "Insolvenzmasse") soll geordnet und gerecht an alle Gläubiger verteilt werden. Es gilt der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par condicio creditorum). Das Insolvenzverfahren verhindert einen "Windhundrennen", bei dem nur die schnellsten Gläubiger durch Zwangsvollstreckung noch Zugriff auf das Vermögen erhalten.
  2. Sanierung und Chance auf einen Neuanfang: Das Gesetz bietet Instrumente zur Sanierung und zum Erhalt von Unternehmen, wenn dies wirtschaftlich sinnvoll ist. Für redliche natürliche Personen (Privatpersonen) schafft es die Möglichkeit, sich nach einer Wohlverhaltensphase von ihren restlichen Schulden zu befreien (Restschuldbefreiung).

 

II. Die Insolvenzgründe: Wann entsteht die Antragspflicht?

 

Ein Insolvenzverfahren wird nur auf Antrag und bei Vorliegen eines gesetzlichen Insolvenzgrundes eröffnet.

  1. Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): Der Schuldner ist nicht in der Lage, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dies ist der häufigste Eröffnungsgrund. Eine Zahlungsunfähigkeit wird in der Regel angenommen, wenn der Schuldner nicht innerhalb von drei Wochen in der Lage ist, 90 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten zu begleichen.
  2. Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO): Ein zukunftsbezogener Grund. Der Schuldner ist voraussichtlich nicht in der Lage sein, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfüllen. Nur der Schuldner selbst kann bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Antrag stellen, um frühzeitig Sanierungsmaßnahmen einzuleiten.
  3. Überschuldung (§ 19 InsO): Dieser Grund gilt nur für juristische Personen (z.B. GmbH, AG). Eine Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (positive Fortführungsprognose).

Strenge Antragspflicht für Geschäftsführer: 

 

Für die Organe von Kapitalgesellschaften (z.B. Geschäftsführer einer GmbH) besteht eine gesetzliche Pflicht, bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt des Grundes, einen Insolvenzantrag zu stellen. Ein Verstoß kann zu erheblicher persönlicher Haftung und strafrechtlicher Verfolgung wegen Insolvenzverschleppung führen.

 

III. Der Ablauf des Insolvenzverfahrens

 

Das Verfahren gliedert sich in mehrere Phasen.

 

1. Das Eröffnungsverfahren

  • Antrag: Das Verfahren beginnt mit einem Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht – Insolvenzgericht. Für Ihren Standort wäre dies das Amtsgericht Offenbach am Main. Der Antrag kann vom Schuldner selbst oder von einem Gläubiger gestellt werden.
  • Prüfung und Sicherungsmaßnahmen: Das Gericht prüft das Vorliegen eines Insolvenzgrundes und ob das vorhandene Vermögen ausreicht, um zumindest die Kosten des Verfahrens zu decken. Um das Vermögen bis zur Entscheidung zu sichern, bestellt das Gericht in der Regel einen vorläufigen Insolvenzverwalter und kann weitere Maßnahmen anordnen (z.B. ein allgemeines Verfügungsverbot).
  • Eröffnungsbeschluss: Sind alle Voraussetzungen erfüllt, eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren durch einen Beschluss. Dieser wird öffentlich auf www.insolvenzbekanntmachungen.de bekannt gemacht. Mit diesem Moment geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den (endgültigen) Insolvenzverwalter über.

2. Das eröffnete Verfahren

  • Der Insolvenzverwalter: Seine Hauptaufgabe ist es, die Insolvenzmasse (das gesamte pfändbare Vermögen des Schuldners) zu sichern, zu inventarisieren und bestmöglich zu verwerten. Er prüft zudem Verträge, führt den Betrieb ggf. fort und zieht offene Forderungen ein. Eine zentrale Aufgabe ist auch die Insolvenzanfechtung, bei der er unrechtmäßige Vermögensverschiebungen vor der Insolvenz rückgängig machen kann.
  • Gläubigerversammlung (Berichtstermin): In der ersten Versammlung der Gläubiger berichtet der Verwalter über die wirtschaftliche Lage und die Ursachen der Insolvenz. Die Gläubiger entscheiden hier über den weiteren Fortgang: Stilllegung und Zerschlagung oder Sanierung des Unternehmens.
  • Forderungsanmeldung und -prüfung: Die Gläubiger müssen ihre Forderungen schriftlich beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle anmelden. In einem weiteren Gerichtstermin, dem Prüfungstermin, werden die angemeldeten Forderungen geprüft und entweder festgestellt oder bestritten.

3. Verteilung und Abschluss

  • Verwertung und Verteilung: Der Verwalter verwertet das Vermögen (z.B. durch Verkauf von Maschinen, Immobilien oder des gesamten Unternehmens). Der Erlös wird nach Abzug der Verfahrenskosten und der Befriedigung von bevorrechtigten Gläubigern (z.B. Gläubiger mit Sicherheiten wie Grundschulden) an die ungesicherten Gläubiger verteilt. Diese erhalten nur eine prozentuale Quote auf ihre Forderungen.
  • Aufhebung: Nach der Schlussverteilung wird das Verfahren vom Gericht offiziell aufgehoben.

 

IV. Instrumente der Unternehmenssanierung

 

Das moderne Insolvenzrecht favorisiert die Sanierung, wenn sie erfolgversprechend ist.

  • Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO): Dies ist das zentrale Sanierungsinstrument. Der Insolvenzplan ist eine Art Vergleich zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern, der vom regulären Verfahrensablauf abweicht. Er kann z.B. einen teilweisen Schuldenerlass, Stundungen oder die Umwandlung von Forderungen in Geschäftsanteile vorsehen. Stimmen die Gläubiger mehrheitlich zu, kann das Unternehmen erhalten und entschuldet werden.
  • Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO): Unter bestimmten Voraussetzungen kann die bisherige Geschäftsführung im Amt bleiben und die Sanierung selbst steuern ("debtor-in-possession"). Sie wird dabei von einem gerichtlich bestellten Sachwalter überwacht. Eine besondere Form ist das Schutzschirmverfahren, das eine ungestörte Ausarbeitung eines Sanierungsplans ermöglicht.

 

V. Die Restschuldbefreiung für natürliche Personen

 

Für Privatpersonen und Einzelunternehmer ist die Restschuldbefreiung das wichtigste Ziel.

  • Dauer: Das Verfahren zur Erlangung der Restschuldbefreiung wurde auf drei Jahre verkürzt.
  • Wohlverhaltensphase: In dieser Zeit muss der Schuldner seinen pfändbaren Teil des Einkommens an einen Treuhänder abführen und bestimmten Obliegenheiten nachkommen (z.B. jede zumutbare Arbeit annehmen, Wohnsitzwechsel melden).
  • Ergebnis: Nach Ablauf der drei Jahre erteilt das Gericht die Restschuldbefreiung. Der Schuldner wird von allen Schulden befreit, die vor der Insolvenzeröffnung bestanden.

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