
I. Wesen und Zweck der Gewerbesteuer
Definition: Die Gewerbesteuer ist eine Realsteuer (oder Objektsteuer), die auf die objektive Ertragskraft eines Gewerbebetriebs erhoben wird. Das bedeutet, sie knüpft nicht an die persönliche Leistungsfähigkeit des Unternehmers an (wie die Einkommensteuer), sondern an den Gewerbebetrieb als solchen.
Rechtsgrundlage: Die wesentlichen Vorschriften finden sich im Gewerbesteuergesetz (GewStG) sowie in der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV).
Zweck und Empfänger: Die Gewerbesteuer ist die wichtigste eigenständige Einnahmequelle der Städte und Gemeinden. Diese finanzieren damit ihre kommunalen Aufgaben wie Infrastruktur (Straßen, Schulen), öffentliche Sicherheit und soziale Einrichtungen. Die Höhe der Steuer variiert daher von Gemeinde zu Gemeinde.
II. Wer ist gewerbesteuerpflichtig?
Steuerpflichtig ist jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird.
1. Was ist ein Gewerbebetrieb? Ein Gewerbebetrieb im Sinne des Steuerrechts liegt vor, wenn eine Tätigkeit die folgenden vier Merkmale erfüllt:
- Selbstständigkeit
- Nachhaltigkeit (Wiederholungsabsicht)
- Gewinnerzielungsabsicht
- Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
2. Wer ist konkret steuerpflichtig?
- Einzelunternehmen: Sofern sie eine gewerbliche Tätigkeit ausüben.
- Personengesellschaften: (z.B. OHG, KG) Sofern sie eine gewerbliche Tätigkeit ausüben oder kraft Rechtsform als gewerblich gelten (GmbH & Co. KG).
- Kapitalgesellschaften: (z.B. GmbH, AG) Sie gelten immer und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, unabhängig von ihrer tatsächlichen Tätigkeit.
3. Wer ist NICHT gewerbesteuerpflichtig? Dies ist eine entscheidende Abgrenzung:
- Freiberufler (§ 18 EStG): Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, wie sie von Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern, Architekten, Journalisten oder Künstlern erzielt werden, unterliegen nicht der Gewerbesteuer.
- Land- und Forstwirte (§ 13 EStG): Auch diese Einkünfte sind von der Gewerbesteuer ausgenommen.
- Private Vermögensverwaltung: Die reine Verwaltung eigenen Vermögens (z.B. die Vermietung einiger weniger eigener Immobilien) stellt in der Regel kein Gewerbe dar.
III. Die vierstufige Berechnung der Gewerbesteuer
Die Ermittlung der Steuerschuld ist ein standardisierter, mehrstufiger Prozess.
Schritt 1: Ermittlung des Gewerbeertrags
Ausgangspunkt ist der nach den Vorschriften des Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetzes ermittelte Gewinn aus dem Gewerbebetrieb. Dieser wird modifiziert, um die bereits erwähnte "objektive Ertragskraft" abzubilden.
- Hinzurechnungen (§ 8 GewStG): Dem Gewinn werden bestimmte Beträge wieder hinzugerechnet, die die Ertragskraft zwar beeinflussen, aber nach anderen Gesetzen abzugsfähig waren. Ziel ist es, die Besteuerung unabhängig von der Finanzierungsstruktur des Unternehmens zu machen. Die wichtigsten sind Anteile von:
- Entgelten für Schulden (Zinsen)
- Renten und dauernden Lasten
- Miet- und Pachtzinsen für die Nutzung von Immobilien und beweglichen Wirtschaftsgütern
- Lizenzgebühren
- Kürzungen (§ 9 GewStG): Anschließend werden bestimmte Beträge wieder abgezogen. Die wichtigste Kürzung betrifft einen Teil des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes, da dieser bereits der Grundsteuer unterliegt.
Schritt 2: Abzug des Freibetrags
Vom so ermittelten Gewerbeertrag wird ein Freibetrag abgezogen.
- Freibetragshöhe:24.500 €
- Wichtige Einschränkung: Dieser Freibetrag gilt nur für Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) haben keinen Freibetrag!
Schritt 3: Ermittlung des Steuermessbetrags
Der verbleibende, auf volle 100 € abgerundete Gewerbeertrag wird mit der bundesweit einheitlichen Steuermesszahl von 3,5 % multipliziert.
- Formel: Gewerbeertrag (nach Freibetrag) x 3,5 % = Gewerbesteuermessbetrag Dieser Messbetrag ist eine standardisierte Basis, die vom Finanzamt ermittelt und per Bescheid festgestellt wird.
Schritt 4: Festsetzung der finalen Gewerbesteuer
Nun kommt die Gemeinde ins Spiel. Sie wendet ihren individuell festgelegten Hebesatz auf den Steuermessbetrag an, um die endgültige Steuerschuld zu berechnen.
- Formel: Gewerbesteuermessbetrag x Hebesatz der Gemeinde = zu zahlende Gewerbesteuer
- Der Hebesatz: Jede Gemeinde legt ihren Hebesatz per Satzung fest. Der gesetzliche Mindesthebesatz beträgt 200 %. In Großstädten liegt er oft deutlich höher.
- Beispiel Offenbach am Main: Der aktuelle Hebesatz beträgt 440 % (Stand 2025).
IV. Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer (§ 35 EStG)
Um eine übermäßige Doppelbelastung der Gewinne mit Gewerbe- und Einkommensteuer zu vermeiden, wurde ein Anrechnungsmechanismus geschaffen.
- Wer profitiert? Nur Einzelunternehmer und Gesellschafter von Personengesellschaften. Kapitalgesellschaften können die Gewerbesteuer nicht anrechnen; für sie ist sie eine nicht abzugsfähige Betriebsausgabe.
- Wie funktioniert die Anrechnung? Die gezahlte Gewerbesteuer wird pauschaliert auf die persönliche Einkommensteuerschuld des Unternehmers angerechnet. Der Anrechnungsbetrag ist auf das 4,0-fache des Gewerbesteuermessbetrags begrenzt.
- Praktische Auswirkung: Bei einem Hebesatz von bis zu 400 % wird die Gewerbesteuerbelastung durch die Anrechnung auf die Einkommensteuer oft vollständig neutralisiert. Liegt der Hebesatz darüber (wie in Offenbach mit 440 %), verbleibt eine definitive Restbelastung.
V. Verfahren und Fälligkeiten
- Gewerbesteuererklärung: Der Unternehmer gibt jährlich eine Gewerbesteuererklärung elektronisch beim zuständigen Finanzamt ab.
- Zwei Bescheide:
- Das Finanzamt stellt den Gewerbesteuermessbetrag fest und erlässt den Gewerbesteuermessbescheid.
- Die Gemeinde erhält diesen Bescheid, wendet ihren Hebesatz an und erlässt den finalen Gewerbesteuerbescheid, der die Zahlungsaufforderung enthält.
- Vorauszahlungen: Während des laufenden Jahres sind vierteljährliche Vorauszahlungen (zum 15.02., 15.05., 15.08., 15.11.) an die Gemeinde zu leisten.