I. Die Grundprinzipien der Kassenführung

 

Unabhängig von der Art der Kasse gelten mehrere übergeordnete Grundsätze aus der Abgabenordnung (AO) und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB/GoBD):

  1. Einzelaufzeichnungspflicht (§ 146 Abs. 1 AO): Jeder einzelne Geschäftsvorfall, d.h. jede Einnahme und jede Ausgabe, muss unverzüglich, lückenlos, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufgezeichnet werden. Eine bloße Aufzeichnung von Tageseinnahmen als Summe ist unzulässig.
  2. Wahrheit und Klarheit: Die Aufzeichnungen müssen der Realität entsprechen und für einen sachverständigen Dritten (z.B. einen Betriebsprüfer) in angemessener Zeit nachvollziehbar sein.
  3. Belegausgabepflicht (§ 146a Abs. 2 AO): Für jeden einzelnen Geschäftsvorfall, der über ein elektronisches Aufzeichnungssystem erfasst wird, muss dem Kunden unmittelbar im Anschluss ein Beleg ausgestellt und zur Verfügung gestellt werden. Der Kunde ist nicht verpflichtet, den Beleg anzunehmen, der Unternehmer aber, ihn zu erstellen.
  4. Kassensturzfähigkeit: Der buchmäßige Kassenbestand (Soll-Bestand) muss jederzeit mit dem tatsächlich in der Kasse befindlichen Bargeld (Ist-Bestand) übereinstimmen. Eine Differenz deutet auf Fehler oder Manipulationen hin.

 

II. Die Kassensicherungsverordnung (KassenSichV) – Das Herzstück

 

Seit 2020 sind die Anforderungen an elektronische Aufzeichnungssysteme (elektronische Registrierkassen, PC-Kassen, Kassensysteme) durch die Kassensicherungsverordnung massiv verschärft worden.

1. Pflicht zur Technischen Sicherheitseinrichtung (TSE)

Jedes elektronische Kassensystem muss zwingend mit einer zertifizierten Technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) ausgestattet sein. Die TSE hat die Aufgabe, alle digitalen Grundaufzeichnungen (Kasseneingaben) zu Beginn des Aufzeichnungsvorgangs zu signieren und so vor nachträglichen Manipulationen zu schützen. Sie besteht aus drei Teilen:

  • Sicherheitsmodul: Signiert die Transaktionen.
  • Speichermedium: Speichert die Aufzeichnungen sicher.
  • Digitale Schnittstelle: Ermöglicht den reibungslosen Datenexport für Prüfungen.

2. Kassen-Meldepflicht (§ 146a Abs. 4 AO)

 

Jede Kasse mit einer TSE muss dem zuständigen Finanzamt gemeldet werden. Die Meldung hat elektronisch zu erfolgen und muss Informationen über den Steuerpflichtigen, die Art und Anzahl der Kassen sowie die Seriennummern der TSE enthalten.

3. Die Kassennachschau (§ 146b AO)

 

Dies ist ein besonderes und mächtiges Instrument der Finanzverwaltung. Ein Finanzbeamter kann ohne vorherige Ankündigung während der Geschäftszeiten die Geschäftsräume betreten und die Ordnungsmäßigkeit der Kassenaufzeichnungen überprüfen. Er kann Einsicht in die digitalen Daten nehmen und einen Datenexport verlangen. Werden dabei Mängel festgestellt, kann die Kassennachschau nahtlos in eine umfassende Betriebsprüfung übergehen.

 

III. Die GoBD im Kontext der Kassenführung

 

Die "Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff" (GoBD) konkretisieren die GoB für das digitale Zeitalter und sind für die Kassenführung von entscheidender Bedeutung:

  • Unveränderbarkeit und Protokollierung: Alle digitalen Kassendaten müssen revisionssicher gespeichert werden. Das bedeutet, sie dürfen nicht ohne Kenntlichmachung überschrieben oder gelöscht werden. Jede Änderung oder Stornierung muss protokolliert werden.
  • Digitale Aufbewahrungspflicht: Die digitalen Grundaufzeichnungen der Kasse (oft im Format einer DSFinV-K-Schnittstelle) müssen für die Dauer von 10 Jahren in maschinell auswertbarer Form aufbewahrt werden. Ein alleiniger Ausdruck der Tagesendsummen (Z-Bon) auf Papier ist nicht ausreichend.
  • Verfahrensdokumentation: Der Unternehmer muss eine schriftliche Dokumentation bereithalten, die beschreibt, wie die Kasse im Betrieb eingesetzt wird, wer dafür verantwortlich ist, wie die Daten gesichert und archiviert werden und wie der Prozess von der Erfassung bis zur Verbuchung aussieht.

 

IV. Sonderfall: Die "Offene Ladenkasse"

 

Unternehmen ohne elektronisches Kassensystem können theoretisch eine offene Ladenkasse (eine einfache Geldkassette) führen. Die Anforderungen an die Dokumentation sind hier jedoch extrem hoch und fehleranfällig:

  • Pflicht zum täglichen Kassenbericht: Am Ende jedes Geschäftstages muss ein Kassenbericht erstellt werden, der auf einem retrograd ermittelten Zählprotokoll basiert.
    1. Tatsächliches Zählen des Kassenbestands (Ist-Bestand).
    2. Abzug des Kassenbestands vom Vortag (Soll-Bestand).
    3. Hinzurechnung von getätigten Ausgaben und Privatentnahmen.
    4. Abzug von Privateinlagen.
    5. Das Ergebnis müssen die baren Tageseinnahmen sein.
  • Hohes Prüfungsrisiko: Die offene Ladenkasse ist ein absoluter Schwerpunkt bei Betriebsprüfungen. Kleinste formale Fehler im Kassenbericht können zur Verwerfung der gesamten Kassenführung führen. Sie wird nur noch für Kleinstbetriebe mit sehr überschaubaren Bargeschäften empfohlen.

 

V. Konsequenzen bei Verstößen

 

Die Nichteinhaltung der Vorschriften zur Kassenführung hat mit die härtesten Konsequenzen im deutschen Steuerrecht:

  1. Verwerfung der Buchführung: Stellt ein Prüfer formelle oder materielle Mängel fest, die die Nachvollziehbarkeit beeinträchtigen, kann er die gesamte Buchführung als nicht ordnungsgemäß verwerfen.
  2. Hinzuschätzung (§ 162 AO): Dies ist die direkte Folge einer verworfenen Buchführung. Das Finanzamt ist dann berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen (Umsätze und Gewinne) zu schätzen. Diese Schätzungen sind für das Unternehmen fast immer sehr nachteilig und führen zu hohen Steuernachzahlungen und Zinsen.
  3. Bußgelder: Verstöße gegen die KassenSichV (z.B. fehlende TSE, fehlende oder falsche Meldung der Kasse) können mit Bußgeldern von bis zu 25.000 € geahndet werden.
  4. Einleitung eines Steuerstrafverfahrens: Bei Anzeichen für eine bewusste Manipulation der Kassenaufzeichnungen wird regelmäßig ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung eingeleitet.

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