
Einführung: Das geordnete Ende einer Gesellschaft
Die Liquidation, oft auch als Abwicklung bezeichnet, ist der gesetzlich geregelte Prozess zur Beendigung der Existenz einer Gesellschaft. Sie ist der geordnete Übergang von einer werbenden, am Wirtschaftsleben teilnehmenden Gesellschaft hin zu ihrer vollständigen Beendigung und letztendlichen Löschung aus dem Handelsregister. Das primäre Ziel der Liquidation ist es, die laufenden Geschäfte zu beenden, alle bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu begleichen, das verbleibende Vermögen an die Gesellschafter zu verteilen und die Gesellschaft rechtlich sauber aufzulösen. Dieser Prozess ist insbesondere für Kapitalgesellschaften wie die GmbH und die AG streng formalisiert, findet aber in ähnlicher Weise auch bei Personengesellschaften Anwendung.
Phase 1: Die Auflösung – Der Beginn des Endes
Die Liquidation beginnt nicht mit dem ersten Abwicklungsschritt, sondern mit dem sogenannten Auflösungsgrund. Die Auflösung beendet nicht die Existenz der Gesellschaft, sondern nur ihre werbende Tätigkeit und leitet die Abwicklungsphase ein. Die häufigsten Auflösungsgründe sind:
- Gesellschafterbeschluss: Dies ist der Regelfall. Die Gesellschafter beschließen mit einer qualifizierten Mehrheit (bei der GmbH typischerweise 75 % der abgegebenen Stimmen, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt), die Gesellschaft aufzulösen.
- Ablauf der im Vertrag bestimmten Zeit: Wurde die Gesellschaft nur für einen bestimmten Zeitraum gegründet, löst sie sich mit dessen Ablauf automatisch auf.
- Gerichtliches Urteil: Unter bestimmten Umständen kann die Auflösung durch ein Gerichtsurteil erzwungen werden.
- Eröffnung des Insolvenzverfahrens: Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führt ebenfalls zur Auflösung. Die Abwicklung folgt dann jedoch den speziellen Regeln der Insolvenzordnung und nicht dem hier beschriebenen Liquidationsverfahren.
Mit dem Eintritt des Auflösungsgrundes ändert die Gesellschaft ihren Zweck von einer werbenden Tätigkeit hin zur Abwicklung. Dies wird durch einen Firmenzusatz wie "i.L." (in Liquidation) oder "i.Abw." (in Abwicklung) nach außen kenntlich gemacht.
Phase 2: Die Durchführung der Liquidation – Die Abwicklungsphase
Diese Phase bildet das Herzstück des gesamten Prozesses und wird von den sogenannten Liquidatoren durchgeführt.
Bestellung und Anmeldung der Liquidatoren
Die Geschäftsführer der Gesellschaft werden mit dem Auflösungsbeschluss in der Regel automatisch zu Liquidatoren (sogenannte "geborene Liquidatoren"). Die Gesellschafter können jedoch auch andere Personen zu Liquidatoren bestellen. Die ersten Amtshandlungen der Liquidatoren sind entscheidend:
- Anmeldung der Auflösung: Die Auflösung der Gesellschaft und die Person der Liquidatoren müssen unverzüglich zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet werden. Das Registergericht macht die Auflösung dann öffentlich bekannt.
- Bekanntmachung im Bundesanzeiger: Unmittelbar nach der Anmeldung müssen die Liquidatoren die Auflösung im elektronischen Bundesanzeiger bekannt machen. Mit dieser Bekanntmachung ist ein entscheidender Aufruf verbunden: Alle Gläubiger der Gesellschaft werden öffentlich aufgefordert, ihre Forderungen bei der Gesellschaft anzumelden.
Das Sperrjahr
Mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger beginnt die wichtigste und strengste Frist der Liquidation: das Sperrjahr. Vor Ablauf dieses Jahres ist es den Liquidatoren gesetzlich strengstens untersagt, das verbleibende Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter zu verteilen. Dieses Jahr dient ausschließlich dem Gläubigerschutz. Es soll sicherstellen, dass auch unbekannte oder zögerliche Gläubiger ausreichend Zeit haben, ihre Ansprüche geltend zu machen und befriedigt zu werden. Eine vorzeitige Verteilung des Vermögens kann zu einer persönlichen und unbeschränkten Haftung der Liquidatoren führen.
Die Aufgaben der Liquidatoren während der Abwicklung
Während des Sperrjahres und darüber hinaus haben die Liquidatoren die Aufgabe, die Gesellschaft "abzuwickeln". Ihre Hauptpflichten umfassen:
- Erstellung der Liquidationseröffnungsbilanz: Zu Beginn ihrer Tätigkeit müssen sie eine Bilanz aufstellen, die den Stand des Gesellschaftsvermögens zum Zeitpunkt der Auflösung dokumentiert.
- Beendigung der laufenden Geschäfte: Bestehende Verträge werden gekündigt oder erfüllt, neue Geschäfte dürfen nur noch eingegangen werden, wenn sie dem Zweck der Abwicklung dienen.
- Einziehung von Forderungen: Die Liquidatoren müssen alle offenen Forderungen der Gesellschaft gegenüber Dritten (z. B. Kunden) aktiv einziehen.
- Verwertung des Vermögens: Das gesamte Vermögen der Gesellschaft (Anlage- und Umlaufvermögen wie Maschinen, Immobilien, Warenlager) wird zu Geld gemacht ("versilbert").
- Begleichung der Verbindlichkeiten: Mit den liquiden Mitteln werden alle bekannten Schulden der Gesellschaft bei Gläubigern (Lieferanten, Banken, Finanzamt etc.) beglichen. Stellt sich während dieses Prozesses heraus, dass das Vermögen nicht ausreicht, um alle Schulden zu decken (Überschuldung), müssen die Liquidatoren unverzüglich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen.
Phase 3: Der Abschluss der Liquidation und die Vermögensverteilung
Nachdem alle Geschäfte beendet, das Vermögen liquidiert und alle Schulden bezahlt sind und das Sperrjahr abgelaufen ist, nähert sich die Liquidation ihrem Ende.
Schlussrechnung und Verteilung des Vermögens
Die Liquidatoren erstellen eine Liquidationsschlussrechnung. Ist nach der Befriedigung aller Gläubiger noch Vermögen übrig (der sogenannte "Liquidationsüberschuss"), wird dieses entsprechend ihrer Anteile an die Gesellschafter verteilt. Diese Verteilung darf, wie erwähnt, erst nach Ablauf des Sperrjahres stattfinden.
Anmeldung der Löschung im Handelsregister
Nachdem die Schlussrechnung gelegt und das Vermögen verteilt wurde, melden die Liquidatoren den Abschluss der Liquidation beim Handelsregister an. Sie erklären damit, dass die Abwicklung beendet ist. Das Registergericht prüft die Anmeldung und löscht die Gesellschaft daraufhin endgültig aus dem Handelsregister. Erst mit dieser Löschung hört die Gesellschaft auf, als juristische Person zu existieren.
Aufbewahrungspflichten
Auch nach der Löschung sind die rechtlichen Pflichten nicht gänzlich beendet. Die Bücher und Schriften der gelöschten Gesellschaft (Bilanzen, Buchungsbelege, Geschäftsbriefe etc.) müssen für einen Zeitraum von zehn Jahren sicher aufbewahrt werden. Die Gesellschafter bestimmen in der Regel, wer diese Aufgabe übernimmt. Gläubiger oder ehemalige Gesellschafter können so auch nachträglich noch Einsicht nehmen.